Buchstabengenaue Abschrift aus der Weser-Zeitung vom 31.Mai.1926

Rund um Rotenburg

Prüfungsfahrt des Nordwestdeutschen Automobil-Clubs

(Gau VIa Weser-Ems des A.D.A.C.)

Erstklassiger Sport – J. Meinken auf N.A.G. Gewinner des Dapolini-Ehrenpreises und der Senatsmedaille

Keine ernstlichen Unfälle

„Rund um Rotenburg“, die klassische Prüfungsfahrt des Nordwestdeutschen Automobil Club e.V., Bremen (A.D.A.C.), ist am 30. Mai, dem gestrigen Sonntag, wiederum wie in den Vorkriegsjahren und im vergangenen Jahre ausgefahren worden. Dank der unermüdlichen Werbearbeit der Gründer dieses Rennens, die auch heute noch die Organisation leiten, hat sich dieser motorsportliche Wettbewerb zu einem Ereignis nicht nur Nordwestdeutschlands, sondern für das gesamte Reich ausgewachsen.Bedeutungsvoll und anreizend wird diese als ausgesprochenes Rennen zu wertende Veranstaltung für jeden ernsthaften Motorsportler dadurch, daß sowohl ein hoher Senat der Freien Hansestadt Bremen Senatsmedaillen, als auch der Regierungspräsident von Stade Preismünzen für die besten Fahrer gestiftet haben.

Nach den bei Nennungsschluß am 27. Mai vorliegenden Meldungen konnte mit einem erstklassigen Sport gerechnet werden. Fahrer von Namen hatten sich eingeschrieben. In den Wagenklassen waren Privat- und Industriefahrer getrennt; die Motorradfahrer waren in die üblichen Klassen und in Junioren und Senioren eingeteilt. Maßgebend war das Internationale Reglement, sowie das nationale Sportreglement der O.N.S. Sieger in seiner Klasse ist der Fahrer, der die beste Zeit gefahren hat. Die 36 Kilom.-Rennstrecke mußte von der kleinsten Motorradklasse zweimal, von der Klasse 2 dreimal und von den übrigen viermal gerundet werden. Die Wagen hatten alle die Strecke viermal zu fahren.

Die Leitung der Organisation lag in den bewährten Händen der Sportkommissare Ing. Rich.Tegtmeyer, Präsident des N.A.C., Hermann Dralle, Sportleiter des N.A.C., Th. Kruse, 1. Sekretär des N.A.C., und Heinr. C. Meyer. Die Streckenorganisation war unter Mitwirkung der Behörden sowie sämtlicher in Betracht kommenden Ortsgruppen des A.D.A.C., des Gaues Bremen, B.D.R. und der freiwilligen Feuerwehren glänzend geregelt worden.

Am Sonnabend.

Sonnabend, den 29. Mai, waren die Bremer Sportfreunde des A.D.A.C. geschlossen in Rotenburg angerückt. Im Hotel „Deutsches Haus“ wehte die Flagge des „Großen Hauptquartiers“. Ein emsiges Kommen und Gehen, die letzten Vorbereitungen werden mit Ruhe und Sorgfalt getroffen. Am Nachmittag tummeln sich bereits die Konkurrenten auf der Strecke, um , wie ein „sachkundiger“ Rotenburger Hemdenmatz sagt, „sich schon vor dem Rennen die Kompression klauen zu lassen. Die übliche „Wohnungsbeschlagnahme“ geht ihren geordneten Gang, alles klappt. Auch die Presse rückt bereits am Abend an.

Leider sollte der kleine Rotenburger Recht behalten mit seiner Voraussage. Charles Ritt auf seinem Steyr erlitt beim Training eine Reifenpanne, geriet ins Schleudern und endete am Chausseebaum. Personen kamen nicht zu Schaden. Leider mußte auch Tilly Köpke, Hamburg auf Adler infolge Maschinenschadens aufgeben, so daß damit die einzige Damen-Fahrerin ausfiel. Der Wettergott hatte am Sonnabend schlechteste Laune, es daß in Strömen und die Strecke wurde gut gefeuchtet. Rotenburg hatte sein Festkleid angelegt, schwarz-weiß-rote Fahnen und grüne Girlanden schmückten die Straßen. Dapolin-Wimpel waren überall vertreten. Die Firma hatte auch in vorsorglicher Weise ihren Dapolin-Tankwagen am Start zur Verfügung gestellt. Die Gummifabriken, Continental und Peters Union, hatten ebenfalls Ersatz bereit gestellt. Die Reklamefahnen der Betriebsstoff-Firmen waren an allen Ecken zu finden.

Die Fahrerbesprechung

fand während des Begrüßungsabends statt. Sie brachte die fast immer wiederkehrenden Anfragen der um den ersten Preis Besorgten. Die Sportleitung gab erschöpfende Auskunft über die Streckenverhältnisse, die gefährlichen Stellen, und bald schon hatte sich das „Fahrer-Konzil“ auf ein „gemütliches Beisammensein“ als den besseren Teil geeinigt.

Am Begrüßungsabend

hatten sich als Ehrengäste der Landrat v. Lossow und Bürgermeister Wick im „Deutschen Haus“ eingefunden. In seiner Begrüßungsansprache hob sowohl der Präsident des N.A.C., R. Tegtmeyer als auch der Gauvorsitzende, W. Lürig, die hervorragende Mitarbeit und Unterstützung der Behörden hervor. Insbesondere war es Wegebaumeister Wichert, dem es zu verdanken war, daß die Straße in guter Verfassung war.

Der unterhaltende Teil des Abends lies ebenfalls nichts zu wünschen übrig – sogar das „flüchtige“ Ballett war vertreten. Spät erst trennten sich die Sportfreunde, um zu Bett zu gehen oder um in der Nachbarschaft, im „Rotenburger Hof“, im Bahnhofshotel oder bei Lüdemann im „Waldschlößchen“ weiter Siegesaussichten zu erörtern.

Die Rennstrecke

ist die alte wie im Vorjahre. Start und Ziel liegen 1 Kilometer vor Rotenburg an der Straße nach Visselhövede. Eigentlich müßte das Rennen den Namen „Rund um den Bullensee“ tragen. Am Lintelner Forst vorbei führt die Chaussee nach Hassel; die gefährlichste Kurve treffen wir am Wendepunkt in Wettorf. Über Kirchwalsede und Westerwalsede geht´s nach der „Römerschanze“ und weiter nach Unterstedt. Die Startkurve in Rotenburg schließt den Kreis. Die Strecke war in verhältnismäßig guter Verfassung, das Regenwetter hatte die Straße glitschig und schmierig gemacht.

Der Sonntagmorgen

bescherte ein freundlicheres Wetter, es war wenigsten trocken. Um 5 Uhr knatterten bereits in dem sonst so stillen Rotenburg die Motoren, an Schlaf war nicht mehr zu denken. Die Zuschauer, Rotenburger und Bremer in Massen, bemühten sich möglichst gute Plätze zu erwischen. In der Römerschanze hatte sich der Hanseatische Automobil-Club eingefunden. Am Ziel und Start herrschte lebhaftes Treiben.

Pünktlich um 6 Uhr früh

ging der Start der Motorräder vor sich. Die Nennungen ergaben insgesamt ca. 55 Fahrzeuge. Die Räter wurden im Massenstart abgelassen, die Wagen in Abständen von einer Minute. Bei den Motorradfahrern hatte Edm. Will, Bremen, auf Behag Pech, er stürzte und erlitt einen Kieferbruch. Paul Friedrichs, Bremen, konnte leider noch nicht wieder starten. In der Wagenklasse war die Gruppe E, 8-10 Steuer PS am stärksten vertreten. Fünf Wagen stritten um die Siegespalme. Es war interessant und aufregend anzusehen, wie die einzelnen Fahrzeuge die Kurven nahmen. J. Meinken auf seinem grünen N.A.G. und mit seinem treuen Mitfahrer Papa Tiemann legte sofort ein scharfes Tempo vor.

Mittags waren bereits alle Rennen ausgefahren, es ging in die Quartiere. Die Sportkommissare hatten die Ergebnisse zu berechnen.

Die Preisverteilung

und Siegerverkündung vereinigte am Abend alle Teilnehmer wieder im „Deutschen Haus“. Wertvolle und gediegene Ehrenpreise standen zur Verfügung, große Lorbeerkränze schmückten die Sieger. Präsident R. Tegtmeyer verlas die Sieger:

Motorräder.

Klasse 1 bis 175 ccm:   1. W. Wellhauseh, Hannover auf Avisceler 1.06,48 4/5
    2. Rich. König, Hamburg auf DKW 1.00,45 2/5
Klasse 2 bis 250 ccm: Junioren 1. Emil Beyer, Hamburg auf Schüttorf 1.22,29 2/5
    2. Ernst Beckmann, Hannover auf BMW 1.22,52 4/5
Klasse 3 bis 350 ccm: Junioren 1 Karl Biefhaus, Peine auf Schüttorf 2.00,27 1/5
    2. Dir. Ewald Schramm, Hamburg auf Mabret 2.28, 4/5
  Senioren 1. Rob. Bremer, Hamburg auf Triumpf 1.54,52
Klasse 4 bis 500 ccm: Junioren 1. Hans Reiher, Hamburg auf Sarolea 1.37,26
    2. Bruno Ahlswede, Hamburg auf Norton 1.42,7
Klasse 5 bis 500 ccm: Senioren 1. H. Werner, Hamburg auf BMW 1.26,59

Wagen.

Klasse A und B bis 5 PS Industriefahrer: 1. B. Wagener, Bremen Fiat 1.50,23 2/5
Klasse C bis 6 PS Industriefahrer: 1. J. Schröder, Bremen Fiat 1.48,17 1/5
  Industriefahrer: 1. Baron v. Marcard Mercedes 1.59,05
Klasse D bis 1 PS Privatfahrer: 1. v. Mosch, Hannover Dürkopp 1.39,20,2
Klasse E 1 PS Privatfahrer: 1. Jonny Meinken, Bremen NAG 1.33,27,2
    2. W. Busch, Hamburg NAG 1.35,38,3
  Industriefahrer: 1. P. Bischoff, Hannover Lancia 1.25,14
Klasse F 1 PS Privatfahrer: 1. W. Lürig, Bremen Stoewer 1,36,53

Als besondere Auszeichnungen erhielten: Für die Wagenklasse Eichenkränze Jonny Meinken, Bremen, auf NAG und die Senatsmedaille in Bronce, die höchste Auszeichnung des Rennens. Meinken fuhr als Privatfahrer. Als bester Industriefahrer fuhr P. Bischoff, Hannover, auf Lancia. Bischoff erhielt ferner die eiserne Senatsmedaille der Freien Hansestadt Bremen. Unter den Motorrädern brachten es der Juniorfahrer Hans Rainer auf Saolea und der Seniorfahrer Herm. Werner zu der Ehre eines Eichenkranzes. Rainer erhielt außerdem die broncene Senatsmedaille, während Beier, Hamburg, die eiserne zugesprochen erhielt.Die Preismünze des Regierungspräsidenten von Stade erwarb Wellhausen, Hannover, die silberne ADAC-Medaille erhielten Biefhaus, Peine, und Werner, Hamburg. In der Wagenklasse erhielt Bischoff, Hannover, die eiserne Senatsmedaille und Baron v. Marcard die Preismünze des Regierungspräsidenten.

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